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Rede vom globalen Klimastreik (25.03)

 
Foto der Demonstrierenden mit Flaggen und Schildern vor dem Oberstadtaufzug in Marburg
Demonstrant:innen auf dem globalen Klimastreik am 25.03.2022

Wusstet ihr, dass tausende Menschen jedes Jahr ins Gefängnis müssen, weil sie sich ihr Ticket und die darauf folgende Geldstrafe nicht leisten können?

Diese Kriminalisierung von Menschen, geht mit dem kostenplichtigen ÖPNV einher.
 
Eingeführt wurde dieser Straftatbestand 1935 von den Nazis und lässt sich auch heute noch im Strafgesetzbuch unter dem Paragraph 265a als „Erschleichen von Leistungen“ finden. 
 
 
Wer sind die Menschen, die von dieser Kriminalisierung am meisten betroffen sind? 
Ein Großteil der Menschen, die wegen Fahrens ohne Fahrschein im Knast sitzen sind arbeitslos, jede:r Dritte suchtkrank und mehr als ein Achtel obdachlos.
 
Nach dem Absitzen der Geldstrafe befinden sich die Betroffenen meist wieder in dem gewohnten Teufelskreis. Wenn sie nach der Haft wichtige Termine bei Ärzt*innen oder für Job- und Wohnungsbewerbungen wahrnehmen wollen, werden sie erneut mit den Preisen des Nahverkehrs, drohenden Geldstrafen und Anzeigen konfrontiert. 
Bild eines Banners mit dem Text: §265a abschaffen - sich die Fahrkarte nicht leisten zu können ist kein Verbrechen
§ 265 a abschaffen
Das so vielen Menschen durch den kostenpflichtigen ÖPNV und den vorliegenden Strafbestand derartige Hürden aufgebürdet werden, macht weitere Gründe und klare Forderungen an die Politik für den kostenlosen ÖPNV deutlich.  
Die Initiative Freiheitsfonds wartet nicht auf die Politik sondern handelt. Sie sorgt dafür, dass deutschlandweit Menschen aus dem Gefängnis befreit werden, die wegen „Fahren ohne Fahrschein“ verurteilt wurden. Bislang haben sie durch gesammelte Spenden 305 Personen freigekauft und so 24051 Hafttage aufgelöst. Und da ein Hafttag Steuerzahlenden je nach Bundesland zwischen 98 und 188 Euro pro Tag kostet, hat die Initiative Freiheitsfonds durch das Freikaufen von Personen bislang sogar 3,6 Millionen Euro gespart.
Foto eines Banners am Oberstadtparkhaus mit der Aufschrift: Öffis für Lau - Statt Frust und Stau
Öffis für Lau – Statt Frust und Stau

Die Kampagne Freiheitsfonds macht die Klassenlogik des jetzigen Mobilitätsmodell und die der Justiz deutlich. Gleichzeitig zeigt sie auf, das ein kostenloser ÖPNV diejenigen die sowieso fast nichts haben entlasten würde und somit Umverteilung praktiziert.

 
Sie greift das Konzept des automobilen Kapitalismus an, das die enge Verflechtung von Verkehr, Wirtschaft und Politik benennt. Machen wir uns nichts vor, heutzutage ist ein Großteil der Menschen vom Auto abhängig. Eine Abhängigkeit, die sorgfältig durch die  Ausbeutung von Mensch und Umwelt, Enteignungen und öffentlichen Geldern vom Staat und der Automobilindustrie konstruiert wurde. Sei es die Stadtplanung zum Gunsten des Autos, die bescheuerten Kaufprämien oder die Spritgelder und Kilometerpauschalen.
 
Das deutsche Wirtschaftsmodell ist auf die Gewinne der Automobilindustrie ausgelegt und damit das auch so bleibt baut die Lobby namens VDA und ADAC Netzwerke in der Politik und der Zivilgesellschaft auf. Die Vergangenheit zeigte, dass nur soziale Bewegungen es schaffen wirklichen Druck aufzubauen, da sie frei von den kapitalistischen Profitinteressen sind. Wir finden deshalb, dass die Klimagerechtigkeitsbewegung die Machtfrage stellen muss um das Herrschaftsverhältnis des automobilen Kapitalismus zu überwinden. Ein kostenloser und gut ausgebauter ÖPNV stellt das Auto als Hauptverkehrsmittel infrage und ist deshalb dafür ein Schritt in die richtige Richtung.
 
Ein lokales Beispiel dafür, dass die Zeiten der autozentrierten Politik immer noch aktuell sind, zeigt wohl das Parkhaus an der Waggonhalle, das trotz massivem Gegenprotest in direkter Nähe zum Hauptbahnhof gebaut wird. Dort hat die Stadt Anfang letzten Jahres, die veraltete Stellplatzverordnung durchgesetzt, die bis dato schon hätte erneuert werden können. Und das obwohl es in Marburg seit 2018 einen Klimanotstand gibt und dieser der Politik die Dringlichkeit aufweist das Klimathema bei allen Entscheidungen zu bedenken. Es macht deutlich wie viel so ein Klimanotstand im Zweifelsfalle bedeutet.
 
Unser Verständnis von Klimagerechtigkeit bedeutet für eine Verkehrswende von unten zu kämpfen. Wir stehen als Klimagruppe Marburg hinter der Kampagne Freiheitsfonds, ihrer Forderung, den Paragraphen 265a zu kippen und damit das Fahren ohne Fahrschein zu entkriminalisieren sowie hinter der Forderung, die kostenlose Nutzung des ÖPNV zu ermöglichen. Genau deshalb unterstützen wir auch die Kampagne von Fridays For Future Marburg.
Um die Kampagne Freiheitsfonds zu unterstützen, geben wir im Anschluss eine Spendenbox rum. 
 
 
Quellen:
Studie der Soziologin Nicole Bögelein.