Redebeitrag der Klimargruppe

Hallo an Alle!
 
Schön, dass ihr da seid und mit uns für einen solidarischen Umgang mit der Pandemie und gegen Verschwörungsmythen auf die Straße geht. Wir sind von der Klimagruppe /FFF Marburg und jetzt fragt ihr euch vielleicht: Was hat das ganze mit Klimagerechtigkeit zu tun, warum diese Rede?
 
Nun das ist leicht erklärt: Zunächst beteiligen sich an den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Marburg viele Menschen, die sich selbst als Öko’s oder Klimaschützer*innen verstehen. Gleichzeitig besuchen diese Personen auch weiterhin Demonstrationen und Aktionen zum Thema Klimaschutz und beteiligen sich aktiv an deren Vorbereitung. So nimmt beispielsweise eine der eifrigsten Organisator*innen der  Anti-Corona-Demos und sogenannten “Spaziergängen” auch eine wichtige Rolle in der Critical Mass in Marburg ein – eine Aktionsform, die das Thema Verkehrswende angeht. Wir müssen anerkennen, dass dies keine Einzelfälle sind: In Marburg wie auch in der ganzen Bundesrepublik lässt sich beobachten, dass die Schnittmenge von Klimaschützer*innen, Esoteriker*innen, Impfgegner*innen und Verschwörungsideolog*innen groß ist.
Abseits von diesen personellen Überschneidungen, mussten wir leider feststellen, dass es zudem innerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegung Stimmen gibt, die eine klare Positionierung in der Debatte um die Coronamaßnahmen ablehnen. So wurde der Aufruf zu dieser Demonstration in einer Telegram-Gruppe, die sich dem Thema Klimagerechtigkeit widmet und über 500 Mitglieder*innen hat, als “spaltend” kommentiert, man solle doch lieber “beim Klimakontext bleiben”, man verstehe nicht “was das mit Klimagerechtigkeit zu tun habe”.
 
Höchste Zeit also einige Dinge klarzustellen:
 
Zunächst sollte klar sein: Wer mit Antisemit*innen, Verschwörungsideolog*innen und gewaltbereiten Faschist*innen gemeinsam auf die Straße geht, bietet Rechtsextremist*innen eine Bühne und beteiligt sich an der Verbreitung ihrer menschenverachtenden Ideologie.
 
Darüber hinaus sind solche höchst problematischen Bündnisse, die sich allein aus einer gemeinsamen Wut gegen “die Eliten” und “die Lügenpresse” ergeben, das Gegenteil davon, was wir unter Klimagerechtigkeit verstehen:
 
Erstens – Klimagerechtigkeit ist ein Begriff, der von Aktivist*innen aus dem globalen Süden geprägt wurde, um die ungerechte Verteilung der Verursachung und der Folgen der Klimakrise zu thematisieren. Beispielsweise sind Bewohner*innen der Fidschi-Inseln von den Folgen der Klimakrise extrem bedroht, obwohl ihr Treibhausgasausstoß sehr gering ist. Klimagerechtigkeit ist somit immer intersektional zu verstehen – das bedeutet verschiedene Formen von Unterdrückung im Zusammenhang zu erkennen und Probleme nicht isoliert voneinander zu betrachten. Beispielsweise werden Pandemien, wie diese häufig durch die Übertragung von Erregern von Tieren auf Menschen ausgelöst, und die Wahrscheinlichkeit dafür steigt durch die fortschreitende Zerstörung von Lebensräumen und Ökosystemen stetig. Deshalb können wir Klimagerechtigkeit auch nur in Verbindung mit Kämpfen gegen jegliche Formen von Herrschaft und Ausbeutung erreichen. Diese Perspektive sollten wir auch in der Corona-Pandemie einnehmen: Wir können nicht wegschauen, wenn das Krankenhauspersonal überlastet ist, Risikogruppen besonders gefährdet sind und die Impfpatente aufgrund von Profitinteressen weiterhin verschlossen bleiben. Und wir können erst recht nicht wegschauen, wenn das alles von sogenannten “Querdenker*innen” verharmlost oder relativiert wird, welche neben ihren unsolidarischen Forderungen antisemitische Verschwörungstheorien verbreiten.
 
Zweitens – Der bekannte Slogan “System Change not Climate Change” erinnert uns daran, dass wir sowohl in Bezug auf die Klimakrise als auch in der Coronapandemie eine klare, faktenbasierte Analyse des jeweiligen Problems brauchen, um gute Lösungsvorschläge entwickeln zu können: Ein System zu kritisieren, dass unser Gesundheitssystem an Profitinteressen ausrichtet, sowie die Klimakrise und Pandemien verursacht, ist wichtig und richtig. Doch eine Weltverschwörung herbeizuphantasieren, die strukturelle Probleme personifiziert und somit die Schuld auf vermeintliche Strippenzieher in Hinterzimmern projiziert, ist nicht kritisch, sondern in der Regel wissenschaftsfeindlich und oft antisemitisch. Stattdessen müssen wir unsere kapitalistische Wirtschaftsweise und andere strukturelle Unterdrückungsmechanismen, an denen wir uns vielfach aktiv beteiligen (wie z.B. Rassismus und Patriachat) in den Blick nehmen, um Lösungen entwickeln zu können, die dem Problem angemessen sind.
 
Und Drittens – Klimagerechtigkeit bedeutet für uns Krisen mit sozialen und solidarischen Lösungsvorschlägen zu begegnen: In dem Kampf gegen die Klimakrise müssen wir auf solche Lösungen setzen, die ein gutes Leben für alle ermöglichen. Das würde beispielsweise bedeuten den öffentlichen Nahverkehr endlich kostenlos zu machen, anstatt E-Autos zu fördern, die sich ohnehin nur wenige leisten können, und die weiter auf die Ausbeutung von Menschen und Ökosystemen aufbauen. Auch im Umgang mit der Coronapandemie müssen wir die Solidarität in den Mittelpunkt stellen: Das bedeutet für uns, die  egoistischen Forderungen der sogenannten “Querdenker*innen”, die Coronamaßnahmen auf Kosten vieler weiterer Menschenleben ablehnen, konsequent zurückzuweisen und stattdessen sozial gerechte Forderungen zu stellen:
 
  • Wir fordern ein starkes Gesundheitssystem, das unabhängig von Profitinteressen ist!
  • Wir fordern Risikopatient*innen durch einen solidarischen Umgang mit der Pandemie zu schützen!
  • Wir fordern die sofortige Freigabe der Impfpatente, damit die Profitmaximierung auf Kosten der Gesundheit von strukturell benachteiligten Menschen beendet wird!
Die Klimagerechtigkeitsbewegung muss eine klare Position auch im Umgang mit der Coronapandemie beziehen und auch wir müssen uns den sogenannten “Querdenker*innen” in den Weg stellen. Deshalb nochmal:
 
Klimagerechtigkeit heißt: Solidarität statt Verschwörungsmythen!
 
Danke